Curriculum „Erziehungsberatung“

Die Kurse richten sich einerseits gezielt an die bereits kirchlich ausgebildeten EFL-Berater_innen der ehemaligen DDR, die schwerpunktmäßig im Aufbau des neuen Institutionellen Beratungsangebots in den ostdeutschen Landeskirchen engagiert sind, andererseits an alle Fachkräfte in den Integrierten Ev. Beratungsstellen des Westens, die sich in einer tiefenpsychologisch fundierten Beratungsmethodik zu Fragen der Erziehungsberatung fortbilden lassen wollen.

Das für das Arbeitsfeld „Erziehungs- und Familienberatung“ neu entwickelte tiefenpsychologisch orientierte Beratungskonzept des EZI verbindet psychoanalytische Entwicklungs- und Konflikttheorien mit einer familiensystemischen Mehrgenerationenperspektive und erringt so bis in die 2000er Jahre hinein ein Alleinstellungmerkmal im bundesweiten Weiterbildungsmarkt für Fort- und Erziehungs- und Familienberatung.

Ab Mitte der 90er Jahre wird das Curriculum in Erziehungsberatung für den boomende Arbeitsbereich der „Trennungs- und Scheidungsberatung“ flankiert von einem weiteren Curriculum zur Familienmediation.
Darüber hinaus können sich Interessierte auch zu Spezialthemen in diesem Bereich fortbilden, so zu Trennungs- und Scheidungs-Kindergruppen, zur Trennungs- und Scheidungsberatung bei hochstrittigen Elternpaaren und zur psychoanalytisch-pädagogischen Entwicklungsförderung von Scheidungskindern oder -jugendlichen.

Durch das Inkrafttreten des Kindschaftsreformgesetzes am 1. Juli 1998 wurde in der Praxis der Beratungsstellen weitere Beratungsnachfrage ausgelöst. Die Stärkung der Rechtsansprüche von Kindern bei Trennung und Scheidung, das gesetzlich verbriefte Recht des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen und die Möglichkeit der Einräumung eines gemeinsamen Sorgerechts für getrennt lebende sowie nicht miteinander verheiratete Eltern bestimmen nun zunehmend den erzieherischen Alltag der Familien und werden sukzessive mit immer neuen Rechtsansprüchen auf Beratung im Rahmen des SGB VIII beantwortet.

Mit der Etablierung des Rechts des Kindes auf gewaltfreie Erziehung im § 1631 BGB wurde zur Jahrtausendwende ein weiterer Mosaikstein zur Stärkung der Kinderrechte gesetzt. Entsprechend stieg in den 2000er Jahren die Nachfrage und Inanspruchnahme von Angeboten der Erziehungs- und Familienberatung bundesweit stetig weiter an.

Die breite, öffentliche Debatte über den Missbrauch und die Misshandlung von Minderjährigen - nicht nur im familiären Nahraum, sondern nach Jahrzehnten der Tabuisierung auch in öffentlichen und kirchlichen Institutionen - zwangen Kirchen, Diakonie und Caritas, aber auch alle anderen Träger der Jugendhilfe, und nicht zuletzt die Politik selbst zu Beginn der 2010er Jahre zum Handeln:
2010 wurde auf Anordnung der Bundeskanzlerin bei den Ministerien für Familien und Jugend, sowie Bildung und Justiz ein „Runder Tisch“ mit drei Arbeitsgruppen eingesetzt, an dem alle gesellschaftlichen Gruppierungen zur Beratung von Sofortmaßnahmen beteiligt wurden. Das EZI vertrat im Namen des Beauftragten der EKD bei der Bundesregierung die evangelische Seite in diesen Beratungen, die den Bundesgesetzgeber schließlich sukzessive zu nachhaltigen Schritten in der Verbesserung des Schutzes gefährdeter Kinder und der Stärkung der Rechte von Pflegekindern zwangen.

So führten mehrere Gesetzesänderungen im Kinder- und Jugendhilfegesetz schließlich am 1.1.2012 mit Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes (BSchG) zu neuen Beratungsbedarfen und z.T. sogar zu ganz neuen Beratungsformaten.
Beispielsweise haben bisher alle Personen, die beruflich mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, einen Rechtsanspruch auf Beratung durch eine sogenannte „Insofern erfahrene Fachkraft“ (IEF) zur Abschätzung des Gefährdungsrisikos von Kindern – sei es innerhalb ihrer Familien, sei es im institutionellen Feld von Kindergarten, Schule und Jugendhilfe. Für dieses erweiterte Aufgabenspektrum der Erziehungs- und Familienberatungsstellen und ihrer Fachkräfte wurden am EZI seit 2005 differenzierte Fortbildungen zum Kinderschutz eingeführt und als Querschnittsaufgabe in alle entsprechenden Curricula integriert.

Weitere familienrechtlichen und jugendhilfepolitischen Prioritätensetzungen des Bundes und der Länder führten zu neuen Herausforderung im Bereich der Prävention: Präventive Gruppenangebote für Eltern mit Kindern nach Trennung und Scheidung („Kinder im Blick“) und neue methodische Konzepte für angeordnete Beratungen nach dem FamFG – „sogenannte Zwangsberatung“.

Auch andere prophylaktisch wirksame Angebote wie „Miteinander sprechen lernen“ (MSL) oder „Konstruktive Ehekommunikation“ (KEK) bzw. „Ein Partnerschaftliches Lernprogramm“ (EPL) finden in den 2000er Jahren Eingang in das Fortbildungsangebot des Zentralinstituts.

(Aus: Fernkorn, E., Haid-Loh, A., Hufendiek, S., Meyer, A., Merbach, M und Volger, I. (EZI Berlin), Bewahren und Verändern – 1964 bis 2025.Die Entwicklung der Fort- und Weiterbildung des Evangelischen Zentralinstitutes als Antwort auf gesellschaftliche Herausforderungen.)